Viele Fragen - (noch) wenige Antworten
In den vergangenen Tagen nach Bekanntgabe der Schließung der Hugendubel-Filiale am Marienplatz konnte man sehr viel über Kundenreaktionen lesen, die den Verlust dieser wichtigen Buchhandlung bedauern oder auch Diskussionen verfolgen, die sich mit der Verödung der Innenstadt oder stadtplanerischen Fragen beschäftigen.
Das ist alles gut und richtig. Uns als gewerkschaftliche Infoblog-Redaktion interessiert aber vor allem eine Frage:
Was passiert mit den Beschäftigten am Marienplatz und am Standort München?
In der tz vom Freitag, den 28. März, verkündet Nina Hugendubel: "Ich hoffe, dass wir keine Kündigungen aussprechen müssen". In der tz vom 27.03.2014 prognostiziert Maximilian Hugendubel: "Wenn überhaupt, dann wird es nur eine Handvoll Kündigungen geben.“
Nur zur Erinnerung: in der Flagship-Filiale Marienplatz arbeiten ca 85 Kolleginnen und Kollegen.
Wie soll das gehen? Sicher, es wird in den nächsten zwei Jahren durch Fluktuation und Renteneintritt eine Reduzierung der Belegschaftszahl geben. Aber 85? Das sind über 20% der Belegschaft am Standort München.
Hier gilt es auf zwei Aspekte hinzuweisen, über die sich vielleicht so manche(r) noch gar nicht im Klaren ist:
- da München als e i n Betrieb angesehen wird (deswegen auch ein Betriebsrat für München), treffen Entlassungen in einer Filiale immer den ganzen Standort
- wie viele andere Unternehmen hat Hugendubel in den letzten Jahren sehr stark auf das Instrument der befristeten Arbeitsverträge gesetzt. Für die Ausweitung dieser neoliberalen, arbeitnehmerfeindlichen Politik haben die jeweils herrschenden Parteien SPD/Grüne/FDP/CDU/CSU gesorgt. Bei Hugendubel laufen bis 2015 - wie der Zufall es will - ziemlich genau so viele befristete Verträge aus wie es MitarbeiterInnen am MPL gibt: ca 85. Deswegen wird es mit voller Wucht die Kolleginnen und Kollegen mit befristeten Verträgen treffen. Wenn die Hugendubels davon sprechen, daß es "keine" oder "nur eine Handvoll" Kündigungen gäbe, dann ist das purer Zynismus, weil es sich bei der Nicht-Verlängerung befristeter Arbeitsverträge zwar formal nicht um "Kündigungen" handelt, die KollegInnen aber trotzdem in die Arbeitslosigkeit geschickt werden. Selbstverständlich ohne jede Abfindung.
Können sich damit alle anderen mit unbefristeten Arbeitsverträgen in Sicherheit wiegen?
Mit Sicherheit nicht! Denn selbst, wenn man seinen Arbeitsplatz in einer anderen Filiale weiter behält, kann auf den Teil der Belegschaft, der kein Gewerkschaftsmitglied ist (denn nur für den gilt der Tarifvertrag) eine Änderungskündigung zukommen, d.h. man wechselt nicht nur die Fililale, sondern auch die Tarifgrupppe - nach unten. Ob die GL mit unserem Betriebsrat über einen Sozialplan bzw.einen Interessensausgleich geschweige denn mit unserer Gewerkschaft über einen Sozialtarifvertrag sprechen will, ist unbekannt.
Alternativ-Immobilie? Stachus?
Bei der Information der MPL-Mitarbeiter am Dienstagabend vergangener Woche wurde vage angedeutet, daß man auf der Suche nach einer Alternativ-Immobilie sei, evtl. "in der Innenstadt oder im Glockenbachviertel". In der tz vom 28. März äußert sich Nina Hugendubel noch vager: "Wir werden die Augen offen halten...". Das klingt nun nicht besonders beruhigend. Die Tatsache, daß der Mietvertrag für den Marienplatz ausläuft, ist seit Jahren bekannt. Daß es für das Objekt weitere (finanziell potentere) Mitbewerber geben würde, ebenfalls. Der Fakt, daß die GL vor einigen Monaten als Erfolgsmeldung verkündete, daß Hugendubel beim Schörghuber-Konzern ein Angebot/Konzept abgeben dürfe, wurde gegenüber der Belegschaft als "Erfolg" verkauft. Selbstverständlich dürfen Bewerber Angebote abgeben, vor allem dann, wenn sie vorher jahrzehntelang Mieter des Objekts gewesen sind. Aber auch ein Schörghuber ist kein Wohlfahrtsunternehmen, sondern ein ganz normaler Kapitalist, der aus seinem Objet den maximalen Profit rausholen will. Das ganze war wie üblich eine GL-Augenwischerei zur Beruhigung der Belegschaft.
So wie es heute aussieht, hatte man keinen Plan B in der Tasche, sondern wartete bis zur letzten Minute ab.
Und wie üblich bei Hugendubel war auch hier die Süddeutsche Zeitung bereits vor Betriebsrat und Belegschaft informiert.
Reiter? Nein, danke!
Schorsch Wäsler von ver.di hatte auf einer Betriebsversammlung im vergangenen Jahr angeboten, die Kontakte der Gewerkschaft zur Spitze der Stadtverwaltung bin München, speziell zum damaligen Wirtschaftsreferenten Dieter Reiter, spielen zu lassen, um eine Alternativ-Immobilie zu finden. Von Nitz wurde das süß-sauer als lästiges Angebot arrogant abgewiesen. Dieter Reiter wurde vorher bereits bei einem Besuch der Filiale Marienplatz brüskiert, als auf GL-Anweisung keine einzige MPL-Führungskraft zu ihm "Grüß Gott"sagen durfte. Eine unglaubliche Stoffelei. Eine weitere Brüskierung erfolgte, als eine von ver.di vorgeschlagene Mediation durch ihn in Sachen STV von Nitz mit einem lächerlichen und von einem politisch-naiven Teil der Belegschaft beklatschten Begründung ebenfalls verweigert wurde.
Dieter Reiter, Wirtschaftsreferent mit besten Kontakten zu allen Konzernen in München (Ausnahme: Hugendubel) ist gestern zum Oberbürgermeister der Stadt München gewählt worden. So jemanden könnten wir in der jetzigen Situation dringend brauchen. Zumindest die, denen die Arbeitsplätze der Belegschaft am Herzen liegen. Aber ein Dr. Maximilian Hugendubel sowie seine untergebenen Lakaien aus der GL fahren lieber die Firma an die Wand, als die Unterstützung der Gewerkschaft anzunehmen.
Bleibt der Stachus: gleich nach Bekanntgabe der Marienplatz-Schließung war aus GL-Kreisen zu hören, daß jetzt der Stachus das neue Flaggschiff von Hugendubel in der Innenstadt werden soll.
Allein: der 2015 auslaufende Mietvertrag wurde immer noch nicht verlängert. Es müsste im großem Maßstab finanziell investiert werden. Dies wird seit Jahren hinausgeschoben.
Und was sagte Maximilian Hugendubel, als 2010 die Schließung des Hugendubel-Stammhauses am Salvatorplatzes bekannt wurde?
"Ja, wir werden jetzt kräftig in den Stachus investieren."
"Alles wird gut".
(Nina Ruge)